Wien
Wenn ich einen Auftrag ins östliche Österreich bekomme, und der Weg nicht all zu weit ist, dann übernachte ich gerne in Wien. Ich kenne ein Hotel in U-Bahn Nähe und so ist am Abend sehr schnell der berufliche Alltag vergessen.
Einmal schlenderte ich im Burggarten entlang der Rückseite der Hofburg. Da drang ganz leiste langgezogenes Ziepsen an mein Ohr. Ich folgte dem Geräusch. Es führte mich immer weiter weg von touristischen Pfaden in die Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht.
Plötzlich öffnete sich vor meinen Augen eine Szenerie, abseits von touristischen Trampelpfaden. Der Architekt katte eine Treppenanlage mit sanften Stufen vorgesehen, die nirgends hin führten. Es entstanden wie Inseln kleine, gepflasterte Plätzchen. Beleuchtung hatte man nicht vorgesehen.
Auf einer der Stufen war ein Ghetto-Blaster aufgebaut, es hatte sich ein Völkchen von vielleicht zwanzig Paaren eingefunden. Stumm aneinander gepresst bewegten sie sich zu den sich lust-schmerzhaft windenden Weisen eines Tango-Bandoneons, das aus dem Ghetto Blaster klang. Es wurde kein Wort gesprochen und wenn doch, so klang es sehr wienerisch und nur für das Ohr des Partners bestimmt. Nur Füßescharren zur Musik. Hin- und wieder huschte einer der Tänzer zum Blaster und dann erklang ein neuers Stück. Ich war der einzige, sicher ungebetene Zuschauer.
Plötzlich erstummte der Lautsprecher, hoch geknöpfte Röcke wurden gelöst, so dass die Beine wieder bedeckt waren, offene Männerhemden wurden zugeknöpft, wortlos verliefen sich die Paare in den verschlungenen Pfaden des Burggartens, auch der Ghettoblaster verschwand. Ich stand allein da. Habe ich geträumt?